DIE ENDEN DER WELT
Texte zur Eroberung von Amerika ausgewählt von Wolfgang Storch mit Fotografien von Beat Presser. Herausgeber:
Stadt Bochum. Schirmherschaft: Jacques Delors und Johannes Rau.
THE WORLD`S END
Sexts on the conquest of America selected by Wolfgang Storch with photographs by Beat Presser. Editor: the City of Bochum. Patronage: Jacques Delors and Johannes Rau.
“Dante hatte Adam gefragt, wie lange er im Paradies geweilt hätte: Keine sieben Stunden, da hatte er das Verbot missachtet und musste das Paradies verlassen. Länger währte wohl auch nicht der Aufenthalt der Conquistadoren im Paradies, bis sie es zerstörten, bis sie das Goldene Zeitalter in ihr Eisernes gestossen hatten.”
Wolfgang Storch Nach Westen nach Osten
“Die Erfindung Amerikas ist die Erfindung Utopias: Europa verlangt eine Utopie, nennt und findet sie, um sie am Ende zu zerstören. Für den Europäer des sechzenhnten Jahrhundert stellte die Neue Welt eine Möglichkeit dar, die Alte Welt zu erneuern. Erasmus und Montaigne, Vives und Morus kündigen das Jahrhundert der Religionskriege an, eines der blutigsten in der europäischen Geschichte, und setzen ihm eine Utopie entgegen, die endlich und paradoxerweise einen Ort hat: Amerika, den Raum des guten Wilden und des Goldenen Zeitalters”.
Carlos Fuentes Raum und Zeit der Neuen Welt
“Dante had asked Adam for how long he had stayed in Paradise: Not even seven hours, he then had disregarded the ban and had to leave Paradise. The conquistadors’ stay in Paradise didn’t last any longer before they destroyed it, until they had pushed the golden age into their iron one.”
Wolfgang Storch Nach Westen nach Osten
“The invention of America is the invention of Utopia: Europe demands an utopia, defines and finds it, in order to destroy it in the end. For the European of the sixteenth century the New World represented an opportunity to renew the Old World. Erasmus and Montaigne, Vives and Morus presage the century of religious wars, one of the bloodiest in the history of Europe, and stymie it with an utopia which, finally and paradoxically, has a place: America, space of the good savage and the golden age.”
Carlos Fuentes Raum und Zeit der Neuen Welt
“Wir werden Euer Angebot bedenken. Wir wissen, wenn
wir nicht verkaufen, kommt wahrscheinlich der weisse
Mann mit Waffen und nimmt sich unser Land. Aber wir sind
Wilde. Der weisse Mann, vorübergehend im Besitz, der Macht, glaubt, er sei schon Gott – dem die Erde gehört.
Wie kann ein Mensch seine Mutter besitzen?”
Aus einer Rede des Häuplings der Suquamisch und Duwamisch vor dem Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika 1855.
“Seit vielen Jahren wissen wir durch Offenbarung Unseres Vaters, der Sonne, dass nach zwölf Königen, seinen Söhnen, neue, in diesen Gegenden unbekannte Menschen kommen und ihrem Reich alle unsere Königreiche und viele andere mehr erobern und unterwerfen werden; ich ahne, es sind diejenigen, von denen wir wissen, dass sie an der Küste unseres Meeres erschienen sind; es werden kühne Menschen sein, euch in allem überlegen. Wir wissen auch, dass mit mir die Zahl der Inka, die Zwölf, vollständig ist. Ich versichere euch, dass wenige Jahre, nachdem ich von euch gegangen bin, jene neuen Menschen kommen werden und ausführen, was Unser Vater, die Sonne, uns gesagt hat, und unser Reich erobern und seine Herren werden.”
Aus dem Testament von Huayna Capac
“Doch die Zeit – oder genauer: Die Zeiten – waren nicht nur etwas, das entsteht, wächst, verfällt und wieder entsteht, sondern etwas ewig Wiederkehrendes. Ging eine Zeit zu Ende, begann eine neue. So betrachtete Moctezuma die Ankunft der Spanier – mindestens anfangs – nicht als eine äussere Gefahr, sondern als eine innere Vollendung einer kosmischen Ära und den Beginn einer neuen. Die Götter gingen, weil ihre Zeit vollendet war, und eine andere Zeit, eine andere Ära und mit ihr auch andere Götter wiederkehrten.”
Octavio Paz Raum und Zeit bildeten eine untrennbare Einheit.
“We will think about your offer. We know that if we do not sell the white man is probably coming with arms and takes our land away. But we are savages. The white man, temporarily in the possession of power, believes, that he already is god – to whom belongs the earth. How can a human being possess his mother?”
From a speech by the chief of the Suquamish and Duwamish
before the president of the United States of America in 1855.
“Since many years we know, through the revelation of Our Father, the Sun, that after twelve kings, his sons, new people, unknown to these parts, will come and conquer and subject to their kingdom all our kingdoms and many others; I suspect that it’ll be those about whom we know that they have appeared upon the shore of our sea; it’ll be audacious people, much better than you in everything. We also know that, with me, the number of the Inka, twelve, is complete. I assure you that a few years after I’ll be gone from you, those new people will arrive and complete what Our Father, the Sun, has told us, and conquer our empire and become its masters.”
From the testament of Huayna Capac
“But time – or more exactly: the times – weren’t only what comes into being, grows, expires, and comes into being again, but something eternally returning. Did one time come to an end, a new one began. Thus Moctezuma viewed the arrival of the Spaniards – at least in the beginning – not as an external danger, but as an inner completion of a cosmic era, and the beginning of a new one. The gods went away because their time was completed, and a new time, another era and along with it other gods returned.”
Octavio Paz Space and Time Formed an Inseparable Unit
“Die humanistischen Mönche kamen unmittelbar nach den Conquistadoren in die Neue Welt. Im Jahre 1524 landeten die sogenannten Zwölf Apostel des Franziskanerordens im Mexiko des Hernan Cortés; 1526 folgten ihnen die Dominikaner, zu denen Vasco de Quiroga gehörte. Sie kamen, weil sie gewährleisten wollten, dass die zivilisatorische Mission des Christentums – die Rettung der Seelen – nicht im wilden Durcheinander der ehrgeizigen politischen Bestrebungen und an den Zwängen der machiavellistischen Selbstbestätigung scheiterte.”
Carlos Fuentes Aus Raum und Zeit der Neuen Welt.
“Es geschehen gute Dinge, und es geschehen schlechte Dinge. Schlecht ist, dass die Weisheit verlorengeht. Früher gab es viele Seripigaris, und wenn der Mensch, der geht, Zweifel darüber hegte, was er essen und wie er den Schaden heilen sollte und welche Steine gegen Kientibakori und seine kleine Teufel schützten, dann ging er fragen. Immer gab es einen Seripigari in der Nähe. Er rauchte, trank Sude, dachte nach und sprach mit dem Saankarite in den oberen Welten und fand so die Antwort heraus. Jetzt gibt es wenige, und einige dürften sich nicht Seripigaris nennen, denn können sie vielleicht Ratschläge erteilen? Ihre Weisheit ist ausgetrocknet wie eine madige Wurzel, vielleicht. Das führt zu grossen Verwirrungen. Das sagen die Menschen, die gehen, überall.”
Mario Vargas Llosa Der Weggang Tasurinchis
“Für die alten Mexikaner war der Gegensatz Tod und Leben nicht so unbedingt wie für uns. Der Tod war ein verlängertes Leben und umgekehrt. Somit war er nicht das eigentliche Ende des Lebens, sondern nur eine Phase im unendlichen Kreislauf. Leben, Tod, Wiederauferstehung waren Stadien eines kosmischen Vorgangs, der sich unaufhörlich wiederholt. Das Leben hatte keine wichtigere Aufgabe, als in den Tod, seinen Gegensatz und seine Ergänzung einzumünden. Der Tod seinerseits war kein Ende an sich: Der Mensch nährte mit ihm das unstillbar gefrässige Leben.” Octavio Paz Raum und Zeit bildeten eine untrennbare Einheit
“The humanist monks arrived immediately after the conquistadors in the New World. In 1524 the so-called Twelve Apostles of the Franciscan Order landed in Mexico of Hernán Cortés; in 1526 the Dominican followed them among which ranked Vasco de Quiroga. They came because they wanted to make sure that the civilatory mission of Christianity – the saving of the souls – didn’t fail in the chaos of ambitious political endeavours and the constraints of the Machiavellian boost to self-confidence.”
Carlos Fuentes The New World’s Space and Time
“Good things happen and bad things happen. What’s bad is that wisdom gets lost. There used to be many Seripigaris, and when man who walks had his doubts what to eat and how to repair the damage and which kind of stones protected against Kientibakori and his little devils, then he went to ask. There was always a Seripigari nearby. He smoked, drank Sude, thought, and talked to the Saankarite in the Upper Worlds, and thus found the answer. Now there are only a few, and some are not allowed to call themselves Seripigaris, can they really give advice? Their wisdom is dried up like a root full of maggots, maybe. This leads to great confusions. That’s what people say who walk, all over.”
Mario Vargas Llosa Tasurinchi’s Going-Away
“For the ancient Mexicans the oppositeness of death and life wasn’t all that absolute as it is for us. Death was a life extended and the other way round. Thus it wasn’t the actual end of life, but only a phase within the infinite cycle. Life, death, resurrection were stages of a cosmic occurrence which repeats itself incessantly. Life didn’t have a more essential task than leading towards death, its opposite and its complement. Death in its turn was no end in itself: with it, man nourished insatiably greedy life.”
Octavio Paz Space and Time Formed an Inseparably Unity
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