SURABAYA BEAT
Surabaya Beat. Beat Presser unterwegs 2012 und 2014 mit Schiffen aller Art im Indonesischen Archipel. Publisher: Lans Brahmantyo, Afterhours Books. Buchdesign: Diandra Galih. Design consultant: Vera Pechel. Texte: Erni Aladjai, Luna Vidya. M. Aan Mansur. Mario F. Lawi. Wayan Jengki Sunarta. Textauswahl: Lily Yulianti Farid. Fotografie: Beat Presser. Erschienen bei Afterhours Books Jakarta, Indonesien und bei Scheidegger & Spiess, Zürich.
INHALT
Mit vierzehn Jahren machte Beat Presser seinen Segelschein. Mit neunzehn überquerte er zum ersten Mal den Indischen Ozean, von Mombasa nach Bombay, auf einem Schiff mit pakistanischen und indischen Flüchtlingen, die Anfang der 1970er Jahre aus Uganda fliehen mussten. Seitdem gilt seine Leidenschaft dem Segeln auf den sieben Weltmeeren, und Indonesien ist eines seiner Lieblingsreiseziele. 2012 fuhr Beat Presser erneut nach Indonesien, reiste mit Pinisis von Hafen zu Hafen, von Insel zu Insel, von Abenteuer zu Abenteuer, erkundete das Leben auf dem Meer, den Bau der Schiffe und hielt dies fotografisch fest. BP ist Gast beim Makassar International Writers Festival 2014, daraus ergibt sich eine Zusammenarbeit mit indonesischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die Gedichte und Kurzgeschichten für Surabaya Beat beisteuern.
17. JUNi 2014
Ich kaufe ein Ticket von Bau Bau nach Ambon. Wer mitkommen wolle solle sich um 12 Uhr mittags an der Pier einfinden. 12 Uhr, noch kein Schiff. Dafür ein großer Platz, fliegende Händler mit Wasser, Eßwaren, Handelswaren jeglicher Art und Hunderten von Passagieren, die der Dinge harren, die da kommen mögen. Die Leute vertreiben sich die Zeit mit Kartenspiel und Schach; es wird geschlafen, gegessen, gewartet, gelacht, flaniert, gestaunt. Alles geht friedlich von statten. Keine Unrast, kein Murren, keine Beschwerden. Alles wartet geduldig auf das Schiff. Hier ist Warten ein Teil des Lebens und von Gott gegebene Zeit. Es ist bereits dunkel, als die prächtig beleuchtete „Sinabung“ der Schifffahrtslinie „Pelni“ im Hafen anlegt. Hunderte von Leuten, voll bepackt, umgeben von noch mehr bepackten Trägern versuchen an Bord zu gelangen. Als ich endlich an Bord bin ist kein Platz mehr zu finden. Alles ist belegt, die Schlafräume, die Gänge, die Treppen. Überall Leute, die von Insel zu Insel reisen um Familie und Verwandte zu besuchen oder ihren Geschäften nachzugehen. Auf Deck aber da hat es noch Platz, zwischen Verkäuferinnen, die am Boden sitzend ihre Waren feilbieten. Von Kaffee und Gebäck bis zum elektronischen Gerät gibt es so ziemlich alles zu kaufen. Als der Imam zum Morgengebet ruft stechen wir in See. Indonesische Männer rauchen gern. Ungeniert, viel, überall und jederzeit. Alle Schlaf- und Aufenthaltsräume sind verraucht. Obwohl immer wieder die Durchsage über den Bordlautsprecher ertönt, man solle innerhalb des Schiffes auf das Rauchen verzichten und Rücksicht auf Frauen und Kinder nehmen, bleibt die Aufforderung ungehört. Bis noch vor kurzem waren es die nach Nelken riechenden Kretek Zigaretten, die den Lebensraum der Leute anreicherte. Seit vor wenigen Jahren Philip Morris die eine oder andere indonesische Kretek Zigaretten – Marke aufgekauft hat, verdrängt der neue Duft aus den Vereinigten Staaten den alteingesessenen lokalen Nelkenduft. An Deck ist es luftig und kühl. Der Boden hart und unbequem, aber viel angenehmer als in den überfüllten und verrauchten Innenräumen. Gegen Mitternacht des zweiten Tages bedeckt sich der Himmel bedrohlich – gepaart mit hohem Wellengang. Dann fegt tropischer Regen über die Sinabung. Passagiere, die and Deck einen Schlafplatz gefunden hatten und die Verkäuferinnen flüchten ins ohnehin bereits übervolle Bootsinnere, um irgendwo noch ein kleines und trockenes Plätzchen zu finden. Ich stülpe meine Regenjacke über, schütze meine Kamera gegen den Regen und schreite das Deck ab. Was vor Stunden noch einem Rummelplatz glich, ist jetzt leergefegt. Keine Seele an Deck. Nur der Regen und das Pfeifen des Windes sind zu hören. Mit einem Mal gleicht die „Sinabung“ einem Geisterschiff.
4. JUNI 2014
Am 4. Juni treffen wir mit einer grossen Pinisi mit 20 Mann Besatzung in Makassar ein. Von da aus nach Bira und Tanaberu. An beiden Orten werden Pinisis gebaut. Imposante Gebilde, wieder bekomme ich den Eindruck, ich stehe vor etlichen Arche Noahs! In Bira entstehen gleich fünf riesige 60 m lange Pinisis im Auftrag eines Malaiischen Chinesen. Nicht allen anderen Bootsbauern in Bira und Tanaberu gefällt dies. Für den Bau der fünf Schiffe und vier weitere in Planung würde das ganze Holz gebraucht, der Chinese würde alles monopolisieren, überhöhte Preise zahlen und für die anderen Bootsbauer sei über Monate kein Holz erhältlich. Die Größe und die Dimensionen dieser fünf Schiffe sind enorm. Ich steige in den Bauch eines der Schiffe – ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen. Drinnen im Schiff wird gebaut, gehämmert, gesägt, gehauen, gebohrt, zugeschnitten, Kaffee gekocht und Kretek Zigaretten geraucht. Das Ganze wirkt wie eine eigene Welt. In Tanaberu ist die Stimmung schlecht. Nur wenige Schiffe sind im Bau; ganz anders als bei meinem letzten Besuch 2012. Auch hier ist Holz Mangelware. Ich nehme den Bus und fahre zurück nach Makassar. Gerade rechtzeitig zum Makassar International Writers Festival. Kurz nach meiner Ankunft am Festival darf ich auf der grossen Bühne und bei Flutlicht von meinem geplanten Buch berichten. Ich erkläre mein Surabaya Johnny Buch-Projekt und dass ich an einer Dokumentation über die indonesische Schifffahrt arbeite und dass ich indonesische Schriftstellerinnen und Schriftsteller einlade, ihre Texten in dem Surabaya Johnny
Buch zu veröffenlichen.
I
SURABAYA BEAT
At fourteen, Beat Presser got his skipper’s licence for sailing boats. At nineteen, he crossed the Indian Ocean for the first time, from Mombasa to Bombay, on a ship carrying Pakistani and Indian refugees who had to flee Uganda in the early 1970s. His passion ever since has been to sail the seven seas, and Indonesia has been one of his favoured destinations. In 2012, Beat Presser once again headed for Indonesia, travelling by boat from place to place, from island to island, from adventure to adventure, exploring the country and capturing it in photographs. The book constitutes a collaborative effort, combining his photographs and explorations with poems and short stories written by a select group of Indonesian writers.